Marie geht nach Berlin

Meine Damen und Herren,

 

ich habe die im Koffer gefundenen Briefe zeitlich geordnet. Der erste Brief ist vom Januar 1920, also kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Marie schreibt in dem Brief an ihre Schwester Bärbel in Treuenbrietzen.

 

Liebe Bärbel,

 

ich muß Dir am Anfang sagen wie schwer es mir gefallen ist, nach Berlin zu gehen. Aber dem Druck für Kaiser, Kirche, Küche und Kinder das Leben zu leben, hielt ich ganz einfach nicht aus. Ich bin bei einer Frau Thielebein, eine herzensgute alte Dame, im Bayerischen Viertel von Berlin gut untergekommen und genieße meine Freiheit in 20 Quadratmetern.

 

Du kannst bestimmt verstehen was Freiheit bedeutet: Kein Vater sagt: "Sei um 20 Uhr zu Hause", keine Mutter sagt: "Kind paß gut auf dich auf, die Männer wollen immer nur das eine!" Keiner sagt: "Heirate einen soliden Mann, der dich gut ernähren kann!"

 

Aber ich sage auch Mutter und Vater danke, dass sie schweren Herzens meinem Weg nach Berlin zugestimmt haben und mich finanziell ein wenig unterstützen, was am Anfang eine große Hilfe ist.

 

Aber besonders umwerfend, liebe Bärbel, ist das Tempo in Berlin. In Treuenbrietzen läuft man, in Berlin rennt man. Alles ist hektisch - aber irgendwie elektrisierend.

 

Diese Informationen müssen für den Anfang reichen, bis bald, Deine Marie.

 

Zu diesem Brief paßt das Lied "Über den Dächern von Berlin" aus dem Film "Berlin - Alexanderplatz" nach dem Roman von Alfred Döblin. Herr ... tragen Sie bitte vor.

 

Nachrichtlich der Text des Musiktitels (1. Srophe und Refrain):

 

Eilen, jagen, hetzen, hasten,

Taxis, Busse, Pferdewagen,

leichte Wagen, schwere Lasten,

schieben, schubsen,, drängeln, jagen,

Rauch von Schloten und Benzin

hier in Berlin, hier in Berlin!

Aber aus Mansardenzimmern

siehst Du doch den Himmel schimmern,

grüßen die Sterne Dich,

grüßt Dich der Mond.

 

Refrain:

Über den Dächern von Berlin leuchten die Sterne;

über den Dächern von Berlin lockt eine Ferne.

Auch über Berlin muß ein Stückchen Himmel doch sein

über Berlin, ja, über Berlin!

Bleib nur nicht unten, Mensch, im stickigen Häusergewirr,

strebe nach oben Mensch, es leuchtet dort oben auch Dir

des Mondenscheins Glanz, ein silbernes Glüh'n

über den grauen Dächern von Berlin!

Über Berlin! Über Berlin!