Titel: "Willst Du mein Cousinchen sein?", Lied aus der Revue des Metropoltheaters Berlin "Der Teufel lacht dazu"                

Komponist: Victor Hollaender

Texter: Julius Freund

Verlag: Ed. Bote & G. Bock, Berlin

Erscheinungsjahr: 1906

Druckerei: C.G.Röder GmbH, Leipzig

Graphiker: Keine Angabe

Sammlungsnummer: 1275

 

in einem zeitgenössischen Bericht wird über o.g. Revue ausgeführt (Quelle: Otto Schneitgereit, Berlin wie es weint und lacht):

Eines von den Ereignissen, die man in Berlin mitmachen muß. Eine von den Sensationen, über die man in jedem Salon sprechen muß. Was Wunder, daß um die Karten zur Premiere schon Wochen vorher ein stiller, aber um so erbitterter Kampf ausgefochten wird. Es ist wie ein Ringen an der Börse, die Karten steigen und fallen im Kurs, der in den letzten Stunden, bevor sich der Vorhang hebt, schwindelerregend in die Höhe geschraubt wird.

Nun beginnt der Spektakel. Automobile, Privat-Equipagen etc. drängen sich in fast unabsehbarer Reihe vor das Tor. Heraus steigt, was Berlin an Eleganz und Schönheit besitzt. Eine Premiere in der Großen Oper oder eine Burgtheater-Premiere sind Arme-Leute-Bälle dagegen.

Das erste Bild: Die Hölle, eine lustige, urfidele Hölle mit Teufelinnen in verdammt lüsternen Seidentrikots, eine Hölle, in der unaufhörlich gesungen, getanzt und gewitzelt wird. Man erfährt auch gleich, um was es sich handelt. Seine höllische Majestät, die den Ehrentitel 'Ihre Pestilenz' führt, hat eine große Audienz gegeben für alle Sünden-Gesandtinnen, die der Teufel in den großen Städten unterhält. Die Sünde von Berlin macht ihre Reverenz. Er ist mit ihren Leistungen nicht zufrieden. In Berlin wird ihm nicht genug gesündigt. Satan beschließt, in höchst eigener Person nach dem Rechten zu sehen und selbst nach Berlin zu fahren.

Nun sehen wir im zweiten Bild Satan mit der Sünde von Berlin auf seiner Teufelsfahrt. Aus dem rauchenden Vesus schießt weit in die Höhe das rote Automobil und rollt dann den Abhanf hinunter. Die im Parkett folgen mit Staunen diesem wunderbaren Kinematographen-Kunststückchen. Unter Hussa und Hallo geht die Jagd weiter, bis sie vor dem Passage-Eingang in der Friedrichstraße in Berlin ihr Ende erreicht.

Mitten in die Silvesternacht platzen der Teufel und seine Begleiterin herein und sind nicht wenig überrascht über den ungeheuren Rummel. Zunächst machen sie Bekanntschaft mit den neuen Steuern, als da sind: Fahrkartensteuer, Zigarettensteuer, Erbschaftssteuer, Ansichtspostkartensreuer. Besonders die Ansichtspostkartensteuer hat eine Rückseite - wer die beschreiben dürfte! Hierauf grüßen wir einige wohlbekannte Typen, so den alten Lindenbummler, ferner den alles absperrenden Schutzmann und die Zeitungsfrau.

Dieses armselige Weiblein ist eine der besten Witze der ganzen Revue. Sie ist eine Persiflage auf das Verlangen der Polizei, daß die Zeitungsverkäufer für den Inhalt der von ihnen verschleißten Blätter verantwortlich sein sollten. Infolgedessen will diese Zeitungsfrau dem Teufel nicht einmal den Lokalanzeiger verkaufen. Nach ihr hüpft ein flottes, junges Mädel auf die Bühne, das Mädel vom Metropol. Sie hat mit ihrem Grafen ein kleines Intermezzo, das mit einem Krach endet. Dann erscheinen drei Nachtgestalten, der Paletotmarder, der Pompadour-Räuber und der Zopfabschneider.

Viertes Bild: Potsdamer Platz. Type auf Type zieht an uns vorüber. Da kommt ein Schweinepärchen an, das sein Klagelied über die Schweinenot singt. Da kommt Frau Phila Wolff und singt ein ernst sein sollendes Lied vom Leiden der Heimarbeit, wozu sechs seidenbestrumpfte Beine, die lockend aus einem Kasten hervorgucken, den Takt schlagen. Dann ziehen die wackeren Bergleute von Herne auf, die die französischen Kollegen gerettet, und der Satan leistet sich den Teufelsspuk, von einem plötzlich entstehenden Heine-Denkmal den Berlinern einmal ordentlich - Heines Meinung zu sagen.

Das fünfte Bild ist des jungen Hohenzollern Bilderbuch genannt. Da sieht man zunächst ein sehr gut gestelltes Bild nach dem Wernerschen Gemälde: Die Kaiserproklamation in Versailles, das natürlich, wie üblich, große Beifallssalven auslöste. Diese Abteilung ist überhaupt dem patriotischen Gefühl gewidmet. In historischen Uniformen ziehen die alten preißischen Regimenter zum Großen Zapfensreich auf, mit kriegerischen Trommeln und Fanfaren, eine hübsche Parade, die mancher einer wirklichen auf dem Tempelhofer Felde vorziehen wird. Denn was hier paradiert, sind die tadellosen Beine des weiblichen Chorpersonals.

Im sechsten Bild macht der Teufel einen Sprung auf das Gebiet der auswärtigen Politik. Die Marokko-Konferenz ist es, über die er sich lustig macht. Dabei kriegen auch die anderen Mächte ihren Klaps ab, nur Österreich wird für seine Sekundantendienste belohnt. Zum Schlusse folgt dann das üblich Ballett.

Man hat allen Grund dankbar zu sein, denn es wird des Schönen in Hülle und Fülle gegeben. Das kann man ruhig sagen, daß mit diesem neuesten Stück des Metropol-Theaters nicht nur der Teufel, sondern auch der Kassierer lachen wird.

 

Den Geist der Revue verdeutlicht auch das "Kasino-Lied", das Josef Josephi vortrug:

 

Wenn ich auch schmälen die Philister,es liegt einmal bei mir so drin,

ich weiß, daß ich ein Kerl ein trister, ein alter Sündenknüppel bin.

Der Tag scheint nüchtern mir und ledern, erst wenn die andern Leute ruh'n,

erheb ich sacht mich aus den Federn, im Sumpf Berlin bin ich das Huhn.

Wenn droben Mond und Sterne stehn, muß ich auf meinen Bummel gehn!

Dann zieh ich zum Kasino hin, wo soviel süße Mädel drin,

wo Olga schwatzt und Meta plauscht und Edith mit dem Röckchen rauscht,

wo Ida mit den Augen blitzt, wo Frida beim Champagner sitzt,

das ist mein Ideal, mein liebes, liebes Nachtlokal!

 

Mit Mieze, Lene, Erna, Irma hab' ich poussiert und kupoliert,

ich hab' die Weine jeder Firma und jedes Mäulchen Kuß probiert!

Ich fragte nie, ob aus dem Becher ein andrer trank zu andrer Zeit,

als nimmersatter Liebeszecher schlürft ich des Lebens Seligkeit!

Stets dacht ich dran, wie bald vielleicht mich Amor von der Liste streicht!

Drum ging ich zum Kasino hin, wo soviel süße Mädel drin,

wo Olga singt und Meta lacht und Edith faule Witze macht,

wo Ida seid'ne Roben schleppt, wo Frida Provinzialen neppt,

das ist mein Ideal, mein liebes, liebes Nachtlokal!

 

Ihr Frauen mit der kalten Tugend, ich gönn' euch gern den Glorienschein!

nur müßt ihr mit der tollen Jugend nicht gar zu hart und lieblos sein!

Die sind nicht dumm, die stets aufs neue zu neuem Liebesspiel bereit,

glaubt mir's, mit der verflixten Treue verplempert man die schönste Zeit!

Ich hab' nach Treue nie gefragt und niemals welche zugesagt!

Ich ging halt zum Kasino hin, wo soviel süße Mädel drin,

wo Olga schwoft und Meta lumpt und Edith selbst beim Kellner pumpt,

wo Ida Punsch auf Punsch bestellt, wo Frida schnorrt ums Droschkengeld,

das ist mein Ideal, mein liebes, liebes Nachtlokal.

 

Führt mich der Weg einst in den Himmel, ich weiß, gewiß, ich komm hinein!

wird mir der Englein bunt Gewimmel bei Tag ganz unterhaltsam sein!

Doch wenn die Stern' am Himmel stehen und Petrus durch die Türe schreit:

"Fix, fix, ihr Englein, schlafen gehen!" dann pfeif ich auf die Seligkeit!

Herr Petrus frag' ich: "Sag' doch mal, gibt's hier denn gar kein Nachtlokal?"

Geh, laß mich zum Kasino hin, wo soviel süße Mädel drin,

wo Olga tanzt und Meta hüpft und Edith ihr Korsettchen lüpft!

wo Ida süß den Neuling spielt, wo Frida nach dem Bläuling schielt,

das war mein Ideal, mein liebes, liebes Nachtlokal!

 

Bei You Tube gibt es einen Clip mit dem Kasino-Lied.